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Wissenswertes

Beenden wir den Streit zwischen E-Commerce und Handel

Eine fast schon panische Angst vor einer Kannibalisierung treibt den stationären Handel auf die Barrikaden. Dadurch bleiben Chancen unerkannt.

Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des «Lädelisterbens» aufgrund von E-Commerce. Der stationäre Handel ist in heller Aufregung. Liest man schon fast täglich «ubern oder geubert werden» in Anlehnung an den amerikanischen Taxiservice, der eine ganze Branche auf den Kopf stellte. Und die NZZ fragte anfangs Jahr gar «wer braucht noch einen Laden?» nachdem die Credit Suisse ihren Retail Outlook veröffentlichte. Wer würde da nicht zum Schlachtbeil greifen.

Dadurch spitzt sich die Situation noch mehr zu: Einzelhändler igeln sich ein oder beschwichtigen. Sie laufen Gefahr, die Digitalisierung zu verschlafen, statt Chancen zu nutzen.

Digitale Transformation ist nun mal Fakt

Gemäss der Förderbank KfW stammen in Deutschland gerade mal vier Prozent der Gesamtumsätze kleinerer und mittlerer Unternehmen aus der digitalen Welt. Je jünger ein Unternehmen am Markt ist, desto grösser ist die Bedeutung von E-Commerce für den Umsatz. Schrittweise ergreift die digitale Transformation den Detaihandel. Unternehmen trimmen sich fit und passen ihre Geschäftsmodelle an. Die digitale Transformation ist in vollem Gange. Das bringt auch Chancen mit sich, wie Akis Panayides, Business Developer bei Maxomedia und Spezialist für E-Commerce, weiss: «Die Angebote verändern sich im Zuge der Digitalisierung durch E-Commerce. Um sich in der Online-Welt differenzieren zu können, packt man heute spezielle Dienstleistungen oben drauf. Das birgt Vorteile. Man kann sein Geschäft breiter abstützen». Will heissen, während man früher als Händler ausschliesslich ein- und verkaufte, bietet man heute noch einen Wartungsdienst oder Schneiderservice an – oder verkauft eine Versicherung mit. «Wer online seine Ware vertreibt, eröffnet sich langfristig die Möglichkeit, sein Portfolio zu erweitern und in neue Märkte vorzustossen», so Panayides.

Gewandelte Kundenbedürfnisse

Soweit so gut. Was aber, wenn man gar nicht expandieren möchte? «Hat man Produkte, die nicht austauschbar sind – wie beispielsweise eine Designerlampe oder ein Gemälde – kann man sich auch online von seinen Mitbewerbern abgrenzen», so Panayides. Schwieriger ist es schon heute bei vergleichbarer Ware wie Elektronik. Hier unterscheiden sich Onlinehändler vor allem durch die immer kürzeren Lieferzeiten. Dennoch ist es keine Option, seine Ware nicht ins Netz zu stellen. «Kundenbedürfnisse haben sich nun mal gewandelt. Heute wollen viele ständige Erreichbarkeit und sich vorgängig über Produkte informieren», so Panayides.

Zusätzlichen Umsatz generieren

Weiterer Vorteil: Onlineshops sind die einzigen Verkaufskanälen, die 24 Stunden am Tag und auch am Wochenende geöffnet haben. «Und wie viele gibt es, die an einem regnerischen Sonntagnachmittag von der Couch aus etwas kaufen möchten?» fragt Panayides. Online können zusätzliche Umsätze generiert werden, die auf klassischem Vertriebsweg nicht zustande kommen. Zudem kann eine online affine jüngere Zielgruppe erschlossen werden, die womöglich sonst nicht erreicht werden kann. Gemäss GfK geben Millennials (20-35 Jahre) schon heute über 30% ihres Shopping-Budgets online aus. Mit der Generation Z (10-20 Jahre) wird dieser Anteil auf über 41% steigen. Eine Sättigungsgrenze ist vorerst nicht in Sicht.

Ein digitaler Laden ist Ergänzung zum bestehenden Angebot zu betrachten. Das ewig kolportierte Märchen vom bösen E-Commerce-Wolf führt nur dazu, dass man Chancen verpasst, statt sie zu nutzen. Geschäftsmodelle wandeln sich, das Bedürfnis nach analogen Touchpoints bleibt bestehen. Das beweisen eindrücklich all die Hipsterläden, die Snowboards warten und gleichzeitig Kaffee To-Go verkaufen sowie Mikrobrauereien, die allwöchentlich zur Beiz werden. Sie erlebten in den letzten Jahren geradezu einen zweiten Frühling – und das trotz Internet. Es gibt somit keinen besseren Zeitpunkt, um mit einem E-Shop zu starten.